Wenn Journalismus gefährlich wird. Eine Medienkritik am Fall Tomorrowland.
Eine junge Frau stirbt nach einem Festivalbesuch beim Tomorrowland in Belgien. Die Umstände sind noch unklar. Doch erste Artikel machen schnell eine Substanz aus, die verantwortlich sein könnte: „Pink Powder – auch bekannt als 2C-B oder Tucibi“ – schreibt unter anderem der Merkur in seiner Berichterstattung.
Was folgt, ist das typische Spiel:
Ein paar Zitate von Experten, ein paar Schlagworte („Designerdroge“, „psychedelisch“, „bunt“), ein tragischer Todesfall – und mitten in diesem Nebel aus Halbwissen wird eine der bekanntesten psychedelischen Substanzen unserer Zeit mit einer völlig unberechenbaren Partydroge verwechselt.
2C-B ist eine definierte Substanz. Tucibi ist ein Marketing-Giftmüll.
Was hier passiert, ist mehr als nur eine Ungenauigkeit. Es ist journalistische Fahrlässigkeit.
Denn:
2C-B ist ein eindeutiges Molekül: 4-Bromo-2,5-dimethoxyphenethylamin.
Es wurde in den 1970ern von Alexander Shulgin entwickelt, seine Wirkung ist gut dokumentiert: visuell, empathogen, introspektiv, in niedriger Dosierung sogar funktional.Tucibi (auch Tusi, Pink Cocaine, Pink Powder) ist kein einzelner Wirkstoff, sondern ein Marketingbegriff für einen willkürlich zusammengeworfenen Drogenmix, meist bestehend aus MDMA, Ketamin, Amphetamin, Koffein, Tramadol, manchmal auch Oxycodon oder Fentanyl.
Diese beiden Dinge in einem Atemzug zu nennen, ist wie Heroin mit Aspirin zu vergleichen, weil beides Tabletten sind.
Warum solche Berichterstattung brandgefährlich ist
Sie entwertet Substanzaufklärung.
Wer sich über Psychedelika informiert, stößt jetzt auf Schlagzeilen wie: „2C-B: Pink Cocaine tötet Touristin“. So wird differenzierte Aufklärung unmöglich gemacht.Sie schürt Angst statt Kompetenz.
Wer alles als gleich gefährlich darstellt, sorgt am Ende nur dafür, dass niemand mehr irgendwem glaubt. Weder Medien noch Behörden.Sie stigmatisiert Menschen, die sich verantwortungsvoll mit Substanzen auseinandersetzen.
Denn 2C-B wird seit Jahren im Microdosing, in therapeutischen Settings und in Studien verwendet – mit bemerkenswert positiven Ergebnissen. Tucibi ist das Gegenteil: eine chemische Müllhalde mit Partyverpackung.Sie ignoriert die echten Gefahren.
Tucibi ist gefährlich – nicht weil es „2C-B“ enthält, sondern weil niemand weiß, was genau drin ist. Und Medien, die das nicht sauber trennen, leisten Vorschub für Desinformation auf Festivals, in der Politik und bei Konsumenten.
Was wäre ehrlicher Journalismus?
Eine klare Unterscheidung: Was ist 2C-B? Was ist Tucibi?
Eine Benennung des eigentlichen Problems: nicht psychedelische Substanzen, sondern unregulierter Mischkonsum mit Fake-Drogen.
Ein Hinweis auf Drug-Checking, Substanzkompetenz und die Notwendigkeit einer aufgeklärten Drogenpolitik.
Also: Wenn ihr über Drogen schreibt, dann bitte sauber.
Die meisten Menschen wissen nicht, was 2C-B ist. Und wenn sie es googeln, landen sie jetzt bei „Pink Cocaine“ – einem Begriff, der nichts erklärt, aber alles vermischt.
Wer 2C-B mit Tucibi gleichsetzt, macht aus Aufklärung Verwirrung.
Und aus Journalismus eine Gefahr.
Hier geht es zum meinem Artikel über die viel zu harte Strafe wegen Pilzen